Philipp Nordmann - Gütersloh

Infos zum Thema "Jahresnutzungsgrad, Schornsteinverluste, feuerungstechnischer Wirkungsgrad, Bereitschaftsverluste" etc.

Entscheidend bei jeder Diskussion bzgl. der Wahl eines neuen Heizkessels oder Gas-Brennwertgerätes ist die Frage nach dem Jahresnutzungsgrad des Heizungskessels bzw. Brennwertgerätes selbst und nach dem Jahresnutzungsgrad der gesamten Heizungsanlage!
Die von den Kesselherstellern veröffentlichten `Normnutzungsgrade nach DIN´ haben mit den tatsächlichen Jahresnutzungsgraden einer Heizanlage kaum etwas zu tun, weil die Heizanlage logischerweise unter völlig anderen als den Testbedingungen betrieben wird. Ein Verfahren, dass die Heizanlage unter praxisnahen Bedingungen testet, gibt es nicht. Ein Normnutzungsgrad findet eben unter genormten Bedingungen statt, damit zumindest dieser Wert auf dem Markt zwischen den Kesselherstellern und Kesseltypen vergleichbar ist.

Ein Heizkessel verliert ungenutzt Wärme über Strahlungsverluste an den Aufstellungsraum, über den Schornstein und über die mehr oder weniger gute Verbrennungstechnik. Von 100 % Energie, die man in einen modernen Heizkessel hineinsteckt, kommen am Heizkörper statistisch zwischen 60 % und 80 % an.
Jedes einzelne Glied auf dem Weg der Wärme vom Öltank bzw. Gasanschluß bis zum Heizkörper hat heute Wirkungsgrade zwischen 70 % und 98 %, in der Summe addieren sich diese zum Gesamtwärmeverlust eines Heizkessels, dem tatsächlichen Jahresnutzungsgrad.

Alte Kessel aus den 60er und 70er Jahren (konstruktiv also VOR dem 1. Ölschock Anfang der 70er konstruiert) haben statistische Werte zwischen 20 % und 60 %, unabhängig davon, ob der Schornsteinfeger mit den Messergebnissen zufrieden ist oder nicht! Heizkessel aus den 80er Jahren (konstruktiv NACH besagtem dem 1. Ölschock konstruiert) kommen auf Werte von 40 % bis ca. 70 %.

Verluste über den Schornstein: Durch den Schornstein geht mehr Energie verloren, als man glaubt. Denn der vom Schornsteinfeger gemessene Abgasverlust von zum Beispiel 7 % gilt nur, wenn der Brenner läuft. Das sind statistisch aber nur ca. 1.500 Stunden im Jahr, also ca. 17 Prozent des Jahres.
In der Startphase der Heizung ist der Abgasverlust sehr viel höher und viel Energie entweicht dann über den Schornstein ungenutzt. Das summiert sich, denn eine Heizung startet mehrere tausend Mal im Jahr.
In der Stillstandsphase (der Brenner läuft nicht) kühlt der Heizungskessel ständig ab, insbesondere bei atmosphärischen Gaskesseln, die permanent durch Luftzug in Richtung Schornstein auskühlen.

Feuerungstechnischer Wirkungsgrad: Der Abgasverlust und der so genannte "Feuerungstechnische Wirkungsgrad" (FTW) wird vom Schornsteinfeger gemessen, wenn die Heizung mit voller Kraft (Vollast) läuft. Strahlungsverluste von Kessel und Leitungen treten jedoch immer auf, wenn irgendwo etwas warm ist. Der FTW hat wenig Einfluss auf den Jahresnutzungsgrad: Verändern Sie den CO2-Gehalt um 1 %, verändert sich der Abgasverlust um etwa 6 %, der Kesselwirkungsgrad aber um nur 0,3 %!

Bereitschaftsverluste: Wenn der Brenner stillsteht, tritt dennoch Energieverlust auf: Der so genannte `Bereitschaftsverlust´. Für einen modernen Öl-Heizkessel mit 15 KW Leistung liegt er zum Beispiel bei ca. 1,7 Prozent der Kesselleistung. Das hört sich gering an. Aber dies bedeutet im Beispiel während des Kesselstillstands einen ständigen Verlust von 15 KW = 15.000 Watt x 0,017 = 260 Watt. Das ist, als hätte man ständig einen Baustrahler mit 250-Watt-Leuchtmittel an!

Das ist sozusagen der "Stand By-Verbrauch" des Kessels. Er summiert sich über eine Heizperiode mit Stillstandszeiten von 260 Tagen mal 24 Stunden zu einem Verlust von 1.630 Kilowattstunden, also ca. 163 Liter Öl. Das ist ein ganz beachtlicher Wert. Für ältere Kessel liegt der Bereitschaftsverlust um ein Mehrfaches höher. Bei größeren Kesseln ist der Verlust zwar prozentual geringer, aber absolut gesehen deutlich höher.

Fazit: Eine verbesserte Kesse-Wärmedämmung, ein niedriger Kesselwasserinhalt und eine möglichst geringe Kesselleistung bringen übers Jahr mehr als ein geringerer Abgasverlust und das letzte Prozent FTW.
(Wenn der Schornsteinfeger also aufgrund "hervorragender Abgaswerte" erzählen möchte, dass Ihr Kessel noch gut sein und bestimmt noch ein paar Jahre stehen bleiben kann, dann bedenken Sie, dass der Schornsteinfeger dabei einzig und allein die von der Bundesregierung angesetzten Grenzwerte der BImSch betrachet, aber leider nicht Ihre Geldbörse. Es gibt natürlich auch ehrliche Schornsteinfeger, die heute z.B. auch Energieberater sind, aber leider kann man sich seinen Beźirksschornsteinfegermeister ja nicht aussuchen)
Hinzu kommt selbstverständlich eine sehr gut Wärmedämmung der Heizungs-Rohrleitungen und eine dem tatsächlichen Verbrauch angepaßte Heizungsrohrdimensionierung zwischen Kessel und Heizkörpern sowie einige weitere Punkte.

Anzahl der Brennerstarts: Beim Start eines Ölbrenners kommt auch bei noch so guter Verbrennungstechnik eine kleine Rußwolke heraus, etwa wie wenn Sie mit einem modernen Dieselauto voll beschleunigen. Dies kostet auch entsprechend Energie! Bei drei Starts stündlich und 260 Heiztagen ergeben sich ca. 18.720 jährliche Brennerstarts. Der deutsche Mittelwert liegt bei etwa 20.000 jährlichen Starts - dies ist für die Umwelt und für die Geldbörse des Heizungsanlagenbetreibers zu viel. Der Brenner arbeitet statistisch jeweils 4 bis 5 Minuten lang.

Fazit: Durch lange Brennerlaufzeiten verringert sich die Zahl der Brennerstarts. Auch verkürzen sich die Stillstandszeiten und damit die unnötigen Stillstandsverluste über den Schornstein. Anlagentechnisch kann man das nur mit einem Bündel an Maßnahmen in den Griff kriegen:

    • Keine Überdimensionierung des neuen Heizungskessels, weil ein Kessel mit großer Leistung viel häufiger still steht und öfter taktet.
      In Einfamilienhäusern sind die Heizkessel meist doppelt so groß wie sinnvoll und erforderlich, denn der maximale Heizwärmebedarf wird durch immer bessere Isolierung geringer, während der Bedarf an warmem Wasser gleich bleibt bzw. leicht wächst. Für eine kurze Brauchwasservorrangschaltung benötigt man jedoch immer eine wesentlich höhere Leistung, um die Kessellaufzeit während der Vorrangzeit möglichst kurz zu halten. Es ist aber falsch, sich `aus Sicherheitsgründen´ vom Installateur den Kessel eine Nummer größer einbauen zu lassen! Wenn ein vernünftiges Verkaufsgespräch stattgefunden hat und man sich darüber im Klaren ist, dass u.U. schon seit Jahrzehnten die Heizungsanlage in ihrem jetzigen Zustand groß genug war, warum wollen Sie dann nun `auf Nummer sicher gehen´?
    • Hydraulischer Abgleich - damit die teure Wärme zur gleichen Zeit überall dahin kommt, wo man sie auch tatsächlich haben will.
      Schätzungsweise 80 bis 85 Prozent der Heizsysteme im deutschen Gebäudebestand sind nicht hydraulisch abgeglichen: In höheren Stockwerken kommt kaum noch Wärme an, während in heizungsnahen Räumen eine Überhitzung auftritt. Abhilfe wird oft mit einer Erhöhung der ohnehin schon zu hohen Pumpenleistung geschaffen, was das Problem noch verschärft. Durch eine geschickte Wahl von Ventilen und Drosseln kann man die Wassermenge genau auf den Wärmebedarf abstimmen. In jedem Heizkörper wird über eine Rücklaufverschraubung oder ein voreinstellbares Thermostatventil die optimale Wassermenge eingestellt. Die erforderlichen Einstellwerte können über eine Rohrnetzberechnung ermittelt oder über die Messung der Temperaturdifferenz an den beiden Heizkörperverschraubungen am Heizkörper eingestellt werden.
      Nach Ende der Einstellung aller Heizkörper muß in der Regel auch die Heizungspumpe noch gewechselt werden, da nun viel zu leistungsstark bzw. da nun störende Fließgeräusche im Heizkörper-Thermostatventil auftreten bzw. da sowieso ein Stromfresser (es gibt Heizungspumpen von Energieeffizienzklasse A bis G !) und deshalb reif für den Schrott!
      Vergleichsversuche an zwei baugleichen Gebäuden aus den 70er Jahren ergab vor einigen Jahren ein in der Heizungsszene sehr beachtetes Ergebnis: In dem einen Gebäude wurde der alte atmosphärische Gasheizkessel gegen ein modernes neues Brennwertgerät ausgetauscht, der Rest der Heizungsinstallation blieb gleich. Der effektive Wärmebedarf des Gebäudes wurde damit um 18 % im Jahresmittel gesenkt.
      Im zweiten Gebäude wurde der alte Heizungskessel belassen, dafür wurden an allen Heizkörpern neue voreinstellbare Thermostatventile vom gleichen Hersteller und aus gleicher Baureihe sowie eine leistungsschwächere Heizungspumpe eingebaut und ein umfangreicher hydraulischer Abgleich durchgeführt. Hier sank der effektive Wärmebedarf um 37 % !
      Dies soll selbstverständlich kein Grund für Sie sein, Ihre alte "Energievernichtungsmaschine" im Keller zu belassen! Der hydraulische Abgleich ist aber einer äußert sinnige zusätzliche Maßnahme zur Energieeinsparung, ohne dabei auf Komfort verzichten zu müssen!

      Wer als Hausbesitzer oder Bauherr von seinem Heizungsbauer wissen will, wie hoch die tatsächliche Ersparnis durch einen hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage ist, der wird oftmals enttäuscht sein: Es ist quasi unmöglich, die Energieeinsparungen durch die Anlagenoptimierung exakt zu ermitteln. Die Einflüsse auf die Verteilung der Wasservolumenströme innerhalb der Heizungsanlage sind dafür zu unterschiedlich. Hinzu kommt das nicht zu ergründende und oft auch noch wechselnde Nutzverhalten, ganz besonders in einer Mietwohnung. Sicher ist nur, dass es keine Heizungsanlage gibt, in der nach einem hydraulischen Abgleich keine wirtschaftlichen und für die Umwelt positiven Ergebnisse bei herum kommen!

      Checkliste für Heizungsbetreiber:

      • hat die Anlage erkennbare Komfortmängel? (z.B. Geräusche, die Heizflächen reagieren nur sehr langsam, Räume werden nicht gleichmäßig warm)
      • wurden bauliche Massnahmen zu Energieeinsparungen durchgeführt, aber die Heizungseinstellungen danach nicht angepasst?
      • werden einzelne Räume heute anders genutz als noch vor 5 oder 10 Jahren?
      • wurden Raumaufteilungen geändert, aber die Heizkörper wurden z.B. aus Kostengründen oder Bequemlichkeit belassen?

      Checkliste für den Heizungsbauer:

      • sind die Thermostatventile, das Strangregulierventil etc. nicht regelbar?
      • arbeitet die Heizungsumwälzpumpe ungeregelt?
      • fehlt eine bedarfsgeführte Heizungsregelung? (z.B. mit Nachtabsenkung, aussentemperaturgeführte Heizkurve etc.)
      • ist die Hydraulik (z.B. Mischer, hydraulische Weiche) nicht an den Wärmeerzeuger (z.B. Heizkessel, Brennwertkessel, Wärmepumpe, Solaranlage) und an die Rohrsysteme der Heizungsanlage angepasst worden?
    • Nur heizen, wenn es wirklich nötig ist: Gerade in der kurzfristigen Abschaltung während der Übergangszeit liegen schon 27 % bis 35 % Ersparnis, oft über einen Dreh oder Knopfdruck an der Heizungssteuerung erreichbar.
      Es mag ja angenehm sein, auf der Haut möglichst wenig Kleidung zu tragen, aber man hebelt jede DIN-Norm und jede Heizungsplanung aus, wenn man sich gerne nur leicht bekleidet im Winter in seinen Räumen aufhält. Dazu sind die Heizkörper trotz `Angstzuschlägen´ der ausführenden Installateure und trotz überdimensioniertem Heizkessel im Keller oder auf dem Dach nicht ausgelegt!
    • Regelung immer möglichst knapp einstellen: Bei der Heizungsregelung kann man zwischen verschiedenen Heizkurven auswählen. Damit bestimmt man das Verhältnis zwischen Kesseltemperatur und Außentemperatur.
      Man wählt die geringstmögliche Kesseltemperatur, also die flachste Heizkurve. Im Idealfall stellt man die Heizkurve bei einer Außentemperatur von ca. -5° bis -10° ein, und zwar so, dass die tatsächlich zu beheizenden Räume dann soeben passend warm sind. Man beginnt also mit einer niedrigen Heizkurve und stellt diese solange höher, bis gewünschter Punkt in allen Räumen erreicht ist. Wenn man bei dieser Aktion bemerkt, dass die Heizkurve nur wegen eines einzigen Raumes bzw. wegen nur weniger Räume in einem Gebäude immer weiter angehoben werden muß, sollte man sich diese Räume einmal intensiv anschauen hinsichtlich möglicher unnötiger Wärmeverluste (Fensterdichtungen, Heizkörpernischen etc.). Wenn da alles in Ordnung ist, ist eine Vergrößerung der Heizflächen (= größerer Heizkörper) zu empfehlen, damit man dann wieder mit einer niedrigeren Heizkurve das gesamte Gebäude mit Wärme versorgen kann!
Aktuelle Temperaturtabellen zeigen, dass bei statistisch 260 Heiztagen im Jahr an ca. 50 % dieser Tage nur 13 % der möglichen Heizleistung eines Heizungskessels abgerufen und nur an ca. 5-10 Tagen im Jahr die volle Leistung benötigt wird.
Wenn die globale Klimaerwärmung sich in den nächsten Jahren bzw. Heizperioden wie befürchtet verschärfen wird, wird man von einem Winter quasi gar nicht mehr sprechen, und die Anzahl an Heiztagen mit einer Heizleistung von 13 % wird noch deutlich ansteigen.

Moderne Brennwertgeräte modulieren zwischen z.B. 1,9 kw und 14 kw, d.h. abhängig vom momentanen Wärmebedarf des zu beheizenden Gebäudes fährt der Heizkessel in seiner Heizleistung entweder höher oder tiefer.

Leider werden aber auch Bennwertgeräte gerne mit der Begründung "der moduliert ja bei höheren Außentemperaturen komplett runter" immernoch gerne zu groß dimensioniert und eingebaut, d.h. der Bauherr läßt sich ein Gerät mit einer modulierenden Leistung von z.B. 6,8 kw bis 32 kw einbauen.
Bei einem Wärmebedarf Ihres Hauses von z.B. 9,5 kw (für den das kleine o.g. Gerät relativ ideal gewesen wäre) hat man nun ein an statistisch über 200 Heiztagen überdimensioniertes Heizgerät!

Fazit:
Einfach einen Heizungskessel (über das Internet) kaufen bringt nicht viel, obwohl der Kessel vielleicht zum Schnäppchenpreis zu haben ist. In den nächsten 15 bis 20 Heizperioden, die der Heizkessel im Haus seinen Dienst verrichtet, verschwendet man sehr wahrscheinlich ein Vielfaches der beim Kesselkauf gesparten Euros über den Schornstein und andere Faktoren!
Wer bewußt heizen und etwas für die Umwelt tun will, wer Geld sparen möchte und wer bereit ist, sich mit der Beheizung seines Hauses aktiv zu beschäftigen, der kann mit einem um ca. 30 % bis 40 % unterdimensionierten Heizkessel erheblich Energie sparen, muß aber u.U. an den wenigen wirklich kalten Tagen im Jahr mit einer Sekundärquelle (z.B. Strom) in den durchgängig beheizten Zimmern der Wohnung zuheizen.
Wer mit einer Wärmepumpe heizt, heizt sowieso mit Strom, den wird dies Argument nicht abschrecken.
Wer dies nicht möchte, weil er dafür z.B. einfach keine Zeit hat, kann mit einem hydraulischen Abgleich und einem sinnig dimensionierten Heizgerät in erheblichem Maße Energie sparen.

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